February 20, 2014 | Die Presse - Germany

Der Iran Ist Keine Nahöstliche Schweiz

Die Welt blickt auf die Verhandlungen in Wien über das illegale Atomprogramm des Iran, während eklatante Menschenrechtsverletzungen stetig aus dem Fokus geraten. Kurz vor seinem Wahlerfolg äußerte der sogenannte moderate Präsident Rohani: „Alle Ethnien, alle Religionen, sogar religiöse Minderheiten müssen Gerechtigkeit erfahren. Lang sollen die Bürgerrechte leben!“ Seine Taten sprechen eine andere Sprache.

 

Im Jänner wurde der iranisch-arabische Dichter Hashem Shaabani hingerichtet. Sein „Verbrechen“ war es, zur Minderheit der Ahwazi zu gehören – diese plädiert für politische und kulturelle Freiheit. Die Zahl der Hinrichtungen unter Rohani steigtrapide. Seit seinem Amtsantritt im August 2013 bis Ende Jänner hat die iranische Diktatur 405 Menschen hingerichtet. Im Vergleich dazu lag die Hinrichtungszahl im Jahr 2012 bei 502.

Obwohl Rohani die reaktionäre Rhetorik von Ahmadinejad nicht fortführt, hat sich auch an der Unterdrückung von Homosexuellen nichts geändert. Der offen homosexuelle Dichter Payam Feili sagt dazu: „Nichts Wesentliches hat sich verändert. Die Struktur bleibt die gleiche. Es ist ein Spiel, eine komische, hässliche Aufführung. Sie haben sich auf die Naivität der Leute verlassen, um erfolgreich zu sein.“ Der Iran wendet auch weiterhin die Todesstrafe bei Homosexualität an.

Bei einem anderen Deal, dem die Islamische Republik zustimmte, nämlich dem Waffenstillstand im ersten Golfkrieg, verübte das Regime ein Massaker an mehreren tausend Dissidenten. Das war 1988 und mitverantwortlich dafür war Moustafa Pourmohammadi, der damalige Vize-Geheimdienstminister. Er ist nun Justizminister, und heute begeht das iranische Regime an seiner eigenen Bevölkerung ein Massaker in Zeitlupe. So wie es eine Infrastruktur des Atomwaffenprogramms gibt, so gibt es auch eine Infrastruktur der Menschenrechtsverletzungen. Beide Systeme werden von den gleichen Architekten betrieben: von Revolutionsgarden und Regime-Insidern wie Rohani, Außenminister Zarif, Justizminister Pourmohammadi. Und all das unter der allmächtigen Führung des obersten Rechtsgelehrten, Ali Khamenei.

Für kurze Zeit sah es so aus, als hätte die EU endlich ihre Lektion aus der Beschwichtigung gelernt. Scharfe ökonomische Sanktionen verbunden mit Menschenrechtssanktionen wurden beschlossen, um dann seit der Wahl Rohanis Märchenerzählung zu erliegen, die Islamische Republik sei über Nacht zur nahöstlichen Schweiz avanciert.

Infrastruktur behindern

Die Realität im Iran sieht aber so aus, dass die Zivilgesellschaft einsamer denn je ist, während sich die Lage bei den Menschenrechten dramatisch verschlechtert. Die Lösung in diesem Konflikt liegt nicht darin, eine Diktatur daran zu erinnern, dass sie Menschenrechtsverletzungen begeht. Das weiß sie selbst. Sondern darin, die Infrastruktur des Mordens und Folterns finanziell, politisch und logistisch unmöglich zu machen. Dies gilt übrigens auch für die Infrastruktur des Atomprogramms.

Die Obama-Administration und Europa glauben fälschlicherweise, dass Rohani ein Mandat von der iranischen Bevölkerung hat, den Atomkonflikt zu lösen. Dabei wird übersehen, dass der Akteur für ein friedliches Ende nur die iranische Zivilgesellschaft sein kann, die durch ihr Votum endlich in der Welt gehört werden möchte. Stattdessen werden sie und die gravierende Lage der Menschenrechte weiter ignoriert.

Saba Farzan ist Director of Political Studies am Institute for Middle Eastern Democracy in London. Benjamin Weinthalist europäischer Korrespondent der „Jerusalem Post“ in Berlin und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Foundation for Defense of Democracies in Washington.

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